Vorgänger- und Nachfolge-Expeditionen
Die Vorbereitungen und Weg zu dieser Expedition waren lang. AleutBio basiert auf früheren Daten, die während 10 Expeditionen unter der Leitung von Lev Zenkevitch auf dem FS Vityaz gesammelt wurden sowie vier Expeditionen in den Nordwestpazifik (NW) zwischen 2010 und 2016. Diese waren deutsch-russisches Gemeinschaftsexpeditionen und zielten auf die Untersuchung von Mustern und Prozessen der Biodiversität und Biogeographie sowie der Bestimmung von Artenarealen, Arealerweiterung und Artausbreitung, Konnektivität sowie der Evolution ausgewählter Arten in dieser Region. Wir stellten uns die Frage welche Bedeutung Isolationsbarrieren, wie semi-isolierte Becken oder Tiefseegräben in diesen großen Tiefen haben und welche Bedeutung ggf. Meeresstraßen für die Ausbreitungsfähigkeit und Biogeographie von Arten haben.
Im Sommer 2010 wurde die benthische Tiefseefauna des Japanischen Meeres in einer Tiefe zwischen 455-3666 m an 19 Stationen im Rahmen der russisch-deutschen SoJaBio-Expedition (Sea of Japan Biodiversity Studies) an Bord der russischen FS Akademik M.A. Lavrentyev untersucht. Die Expedition KuramBio I (Kuril Kamchatka Biodiversity Studies) wurde im Jahr 2012 an Bord von FS Sonne (SO-223) durchgeführt, um die den KKG angrenzende Abyssalebene des offenen Nordwest Pazifiks zu untersuchen und mit dem semi-geschlossenen Japanischen Randmeer zu vergleichen. Während dieser Expedition wurden zwölf Stationen in einem Tiefenbereich zwischen 4.830-5.780 m beprobt (Brandt und Malyutina, 2015). Das Projekt SokhoBio (Sea of Okhotsk Biodiversity Studies) fand im Sommer 2015 mit der FS Akademik M.A. Lavrentyev statt, um den tiefsten Teil dieses Ochotskischen Meeres, das Kurilenbecken, in Tiefen zwischen 1.694 m bis 3.366 m zu untersuchen sowie Proben in der Bussolstraße zwischen 2.100-2.348 m Tiefe zu nehmen und schließlich am westlichen Abyssalhang des KKG in Tiefen zwischen 3.367-4.800 m. Während SokhoBio wurden insgesamt elf Stationen beprobt (Malyutina et al., 2018). Das Kurilenbecken hat eine maximale Tiefe von 3.470 m, was ähnlich ist ähnlich wie das Japanische Meer (~3.700 m); allerdings haben die tiefen Wassermassen jedoch einen viel stärkeren Austausch mit dem offenen Pazifik durch die durch die recht tiefen Meerengen zwischen den Kurileninseln, insbesondere durch die tiefste Bussolstraße (ca. 2350 m) und die Krusensternstraße (1920 m). Das Ochotskische Meer ist nicht nur durch den Kurilen-Inselbogen vom offenen pazifischen Abyssal isoliert nicht nur durch den Kurilen-Inselbogen mit den relativ flacheren Kurilen Meerenge. Auch der tiefere KKG (> 9.500 m Tiefe) kann ein Hindernis für die Wanderung und Ausbreitung des pazifischen Abyssal-Benthos darstellen. Die Expedition KuramBio II (Kuril-Kamchatka Biodiversity Studies II) wurde mit FS Sonne 2016 in den KKG (SO-250) durchgeführt (Brandt et al., 2020), bei der elf Stationen in Tiefen zwischen 5.120-9.584 m beprobt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Ausbreitungsfähigkeit der Organismen zwischen Tiergruppen stark unterschied, aber auch innerhalb einer Tiergruppe ließen sich unterschiedliche Muster nachweisen, wie z. B. bei brutpflegebeitreibenden perakariden Krebsen, bei denen z. B. Amphipoden der Gattung Rhachotropis sehr hohe Tiefenerstreckung tolerieren konnten (Lörz et al., 2018), während Arten der Ischnomesidae oder Haploniscidae teilweise nur an einer Hangseite des KKG anzutreffen waren, hohe genetische Distanzen aufwiesen oder als vermeintlich „kryptische Arten“ charakterisiert worden waren (Bober et al., 2019; Johansen et al., 2019).
Auf der Grundlage der vier oben genannten deutsch-russischen Expeditionen sowie der vorangegangenen russischen Expeditionen mit dem FS Vityaz im vergangenen Jahrhundert, wurde das Beneficial-Projekt (Biogeographie der nordwestpazifischen Fauna, eine Grundlagen-Studie zur Abschätzung von Einwanderungen invasiver Arten in den Arktischen Ozean sowie von dort in den nördlichen Pazifik in Zeiten raschen Klimawandels, geplant und vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Mai 2020 durchgeführt.
Die Hauptziele des Beneficial-Projekts waren 1. die Überprüfung der Taxonomie der Fauna des tiefen NW-Pazifik, 2. die Digitalisierung der während unserer Expeditionen gesammelten Biodiversitäts- und Umweltdaten, 3. die Entdeckung Analyse der Tiefsee-Biogeographie und der Biodiversitätsmuster im NW-Pazifik, 4. die Vorhersage der potentiellen zukünftigen Verschiebung Veränderungen des Verbreitungsgebiets von Schlüsselarten vom NW-Pazifik in den Arktischen Ozean unter dem raschen Klimawandel und 5. die Erstellung eines neuartigen Buches über die Taxonomie und Biogeographie der sehr häufigen Schlüsselarten. Alle Daten, die Veröffentlichungen und das Buch, die aus diesem Projekt hervorgehen, liefern entscheidende Bezugspunkte und Datensätze für jede Bewertung der Biodiversität in der Tiefsee und helfen bei der Vorhersage des zukünftigen Zustands des marinen Ökosystems der Arktis in einer sich verändernden Umwelt (Brandt et al. 2020; Canonico et al. 2019; Saeedi et al. 2019a; Saeedi et al. 2019b; Saeedi & Brandt 2020).
Unser Ziel während AleutBio ist es, ein Gebiet zu untersuchen, für welches nur wenig Daten aus früheren russischen Expeditionen veröffentlicht wurden (Abbildung 2). Wir werden die systematische Zusammensetzung, die Artenvielfalt, die Biogeographie und die Evolution der Fauna aller Größenklassen von Protisten über Meio-, Makro- und Megafauna im östlichen KKG und AG analysieren (Abbildung 3). Wir werden das Beprobungsgebiet erweitern und Material von früher beprobten Stationen sammeln, wo das Material teilweise nicht verfügbar (verloren) oder in Formalin fixiert und für molekulare Analysen ungeeignet ist.
Um das Verbreitungsgebiet und die Verbreitung der Arten im KKG und im AG zu verstehen, wollen wir das neue Material mit dem Material von den Probenahmestellen der Expeditionen KuramBio I und II sowie von früheren russischen Expeditionen vergleichen, die von Bord der RVs Vityaz und Akademik Mstislav Keldysh in die abyssale Kurilenstraße und das westliche AT (russisches Territorium) führten. Darüber hinaus planen wir die Sequenzierung von 16S-, 18S-, 28S- und COI-Gensequenzen für die integrative Taxonomie zahlreicher Schlüsselarten, die eine entscheidende Rolle für das Verständnis und die Klärung phylogenetischer Beziehungen spielen können. Wir werden molekulare Standardverfahren als Grundlage für phylogeografische Untersuchungen und Konnektivitätsstudien (DNA-Barcoding) sowie hochmoderne genomische Verfahren anwenden, um die Daten auch in weiterführende phylogenetische Analysen einzubinden. Zu diesem Zweck sind wir auf neues Material angewiesen.