Artenvielfalt, die während einer einzigen Tiefseeexpedition entdeckt wurde – der AleutBio-Expedition an Bord von FS Sonne (Arten nicht maßstabsgetreu dargestellt).  

Die Tiefsee und ihre Arten besser schützen! - Senckenberg Policy Brief

Die Augen der Welt sind auf Montreal gerichtet, wo die Teilnehmer der UN- Weltnaturschutzkonferenz (kurz COP15 – 07.-19.12.2022) über Nacht eine neue Vereinbarung getroffen haben, um den globalen Verlust der biologischen Vielfalt entgegenzuwirken. Geschätzt eine Million Tier- und Pflanzen Arten sind laut dem Weltbiodiversitätsrats IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) weltweit vom Aussterben bedroht. Noch nie war das Ausmaß des Artensterbens in der Geschichte der Menschheit so drastisch, und gleichzeitig ist es eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Schließlich ist über einige Lebensräume der Erde sehr wenig bekannt, und zu einem der größten ‚weißen Flecken auf der Landkarte‘ gehört unweigerlich die Tiefsee. Zur Veranschaulichung ein paar Zahlen; zur Tiefsee zählen alle Meeresgebiete von 200 Metern Tiefe bis hinunter zum Marianengraben, mit knapp 11.000 Metern die tiefste Stelle der Erde; die Tiefsee umfasst mehr als die Hälfte der Erdoberfläche bzw. 95 Prozent der Gesamtvolumens der Ozeane; es wird geschätzt, dass bislang nur 1 Prozent der Tiefsee wissenschaftlich untersucht wurden. Dementsprechend schwanken die Schätzungen zur Anzahl der in der Tiefsee vorkommenden Arten stark und reichen von einer halben Million bis zu 10 Millionen Arten. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen, und konservative Berechnungen gehen von etwa 2 Millionen Arten für den gesamten Ozean aus.  Eine erstaunliche Artenvielfalt – und dies auch vor allem, weil wir nur etwa 10 % davon kennen, oder anders gesagt, 90 % der marinen Arten sind bislang unbekannt und haben noch keinen Namen.

Das Problem ist nun dreierlei:

  1.  selbst entlegene Orte wie die Tiefsee sind zunehmenden menschlichen Einflüssen ausgesetzt, die von Verschmutzung durch Plastikmüll, Chemikalien und Lärm, bis hin zum Abbau von Ressourcen, wie etwa der Fischerei oder geplanten Tiefseebergbau reichen;
  2. bisher wurde die Tiefsee, vor allem solche in internationalen Gewässern, nur unzureichend geschützt;  und
  3. wir können nur das schützen, was wir kennen, und unbekannte Tiefseearten haben keine Lobby (=es gibt keine Pandabären in der Tiefsee).

Pünktlich zum Beginn der COP15 am 7.12. haben wir in einem gemeinsamen Positionspapier (darunter neben Senckenberg auch Kollegen der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC), der portugiesischen Universität Aveiro, dem National Oceanography Centre in Southampton und der Universität Plymouth in Großbritannien, der US-amerikanischen Scripps Institution of Oceanography und dem Smithsonian National Museum of Natural History in Washington D.C., und auch einige AleutBios) dazu Stellung bezogen (Link zum Policy Brief: https://doi.org/10.5281/zenodo.7373440). Insbesondere forderten wir, dem Schutz von Tiefseeökosysteme und ihrer Arten Vorrang einzuräumen, und die Entdeckung und Beschreibung neuer Arten zu fördern.

Und während wir hoffnungsvoll von Montreal auf die ganze Welt blicken, dass die richtigen Schritte unternommen werden für den Erhalt unserer Artenvielfalt sprich unserer Lebensgrundlage, schreiten wir konkret zur Tat mit der Beschreibung der ersten von wahrscheinlich dutzenden neuen Asselarten aus der Tiefsee des Aleutengrabens.

Vorerst zuversichtlich gestimmt blicken wir gespannt auf die Entwicklungen im Neuen Jahr – und dabei die Tiefsee immer fest im Blick.

Damit alles Gute für 2023!
Stefanie & Angelika