OFOS an Bord des FS Sonne

Blick in den Abgrund

Wenn wir Biologen Tiefseetiere untersuchen, bekommen wir sie meist nicht in ihrem natürlichen Lebensraum zu sehen. Wir arbeiten anhand von Exemplaren, die sorgfältig gesammelt und konserviert wurden.

In früheren Blog-Beiträgen zu dieser Fahrt hat das Team über einige der verschiedenen Arten von Ausrüstung geschrieben, die wir für die Probenahme in der Tiefsee verwenden. Auf dem FS Sonne haben wir aber auch die Möglichkeit, den Meeresboden live und in Farbe zusehen – mit einem Kamerasystem namens Ocean Floor Observation System (OFOS). Weitere technische Details folgen in einem späteren Beitrag, aber das OFOS verfügt über HD-Video- und Standbildkameras und riesige Blitzlichter, die auf einem Stahlrahmen montiert und direkt nach unten gerichtet sind. Die Kameras sind über ein Glasfaserkabel mit einem Computer an Bord verbunden, so dass die Bilder in Echtzeit an das Schiff, mehrere Kilometer über dem Meeresboden, übertragen werden. Dies ist eine der seltenen Gelegenheit direkt zu sehen, was in dem Lebensraum den wir beforschen, passiert.

Die OFOS-Videos helfen uns, unsere Proben zu verstehen, und manchmal können wir sogar einen direkten Vergleich mit den Arten anstellen, die wir mit den anderen Geräten gesammelt haben. Wir können die Spuren sehen, die sie im Schlamm hinterlassen (Abbildung 1). Und selbst empfindliche Arten können manchmal in gutem Zustand geborgen werden (Abbildung 2). Noch interessanter ist jedoch, wie oft die verschiedenen Sammel- und Beobachtungsmethoden nicht vollständig übereinstimmen oder sich ergänzen. Wir sehen im OFOS Dinge, die in unseren Netzen nie auftauchen, wie z. B. empfindliche solitäre Hydroiden oder Tiere, die Lebensspuren und Höhlen auf dem Meeresboden hinterlassen. Und wir sammeln mit unserem Probenahmegeräten viele Dinge, die für das OFOS unsichtbar sind, wie z. B. kleine Krebstierarten, die für das Verständnis der biologischen Vielfalt dieser Lebensräume so wichtig sind.

 

Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Fanggeräten sind zum Teil Glückssache – man muss immer Glück haben, um seltene Arten zu beobachten -, zum Teil sind sie aber auch auf die unterschiedlichen Einschränkungen der einzelnen Probenahmeverfahren zurückzuführen. Das OFOS hat eine unglaubliche Auflösung, aber es hat auch Grenzen, denn die Tiere verstecken sich oft im Schlamm oder fliehen vor den hellen Lichtern. Bilder reichen uns oft nicht aus, um Arten zu identifizieren; wir müssen extrem kleine Details sehen, um ähnlich aussehende Arten zu unterscheiden. Wenn wir Probenahmegeräte einsetzen, die physische Proben vom Meeresboden zurückbringen, können wir nicht genau sehen, wo sie landen oder was sie sammeln, bis sie zurückkehren, und dann müssen sie mehrere Kilometer durch das Wasser zurücklegen, um das Schiff zu erreichen. Aus diesen Gründen müssen wir eine Mischung aus verschiedenen Probenahmeverfahren anwenden, um die biologische Vielfalt der Tiefsee wirklich zu verstehen. Was wir auf Bildern sehen, ist nicht das ganze Bild.

Auf der AleutBio können wir das OFOS an allen, außer den tiefsten Stationen, einsetzen. Wann immer wir die Wissenschaftler zusammenbringen können, sitzen viele Experten in unserem Besprechungsraum, sehen sich die Aufnahmen vom Meeresboden live an und arbeiten zusammen, um so viele Arten wie möglich zu identifizieren, wenn wir sie sehen. Die Beobachtungs- und Bestimmungs-“partys“ sind seltene Anlässeunsere Lieblingsarten zu Hause zu besuchen und diese schönen und seltsamen Arten zu sehen, die wir lieben.

Dr. Julia Sigwart

Abbildung 1. Die Tiefseeschnecke Tropidofusus aequilonius (Sysoev, 2000).
Links ist ein OFOS Bild zu sehen, das die Schnecke am Ende ihres Schneckenweges (und ein Meerschweinchen /eine  Holothurie in der Nähe) an einer der AleutBio-Stationen zeigt. Rechts sind Bilder des Gehäuses derselben Art zu sehen, die wir mit einem Agassiz-Schleppnetz gesammelt haben.
Abbildung 2. Solitärkorallen in der Tiefsee. Links ein Bild einer lebenden Solitärkoralle mit ausgestreckten Tentakeln, aufgenommen mit dem OFOS. Rechts eine weitere Koralle, die mit unserem Agassiz-Schleppnetz gesammelt wurde.