Viereinhalb Meilen unter dem Meer
Etwas Ruhe kehrt ein auf dem Schiff, das niemals schläft. Es ist halb zwei am Morgen. Die letzten Proben sind gerade verpackt und der Arbeitsplatz aufgeräumt für den nächsten Einsatz, auf den wir nicht lange warten müssen. Unser Zeitplan ist streng getaktet, Tagschicht geht in die Nachtschicht über, keine Minute wird vergeudet. Gleichzeitig bietet die Sonne ideale Arbeitsbedingungen und uns ein „Zuhause“ – zumindest für ein paar Wochen.
Mit etwa 70 Leuten an Bord ist es eine recht kleine Welt, in der wir uns hier täglich bewegen. Unterschiedliche Kulturen & Sprachen treffen aufeinander, was die Zusammenarbeit jeden Tag aufs Neue herausfordernd, aber vor allem spannend macht und viele Möglichkeiten bietet, voneinander zu lernen.
Ein paar Stunden bleiben noch, bis das nächste Gerät an Deck kommt, und mit ihm oftmals große Mengen an Schlamm gespickt mit Meeresorganismen aus der Tiefsee. Ich bin dabei insbesondere an einer Gruppe von Krebstieren interessiert, den Isopoda oder Asseln. Vielen als Bewohner von Gartenerde oder unter Blumentöpfen bekannt, sind sie besonders zahlreich in der Tiefsee und dort in einer unglaublichen Formenvielfalt anzutreffen. Das Gerät, mit dem wir in unserer Gruppe arbeiten, der Epibenthosschlitten, eigentlich ein Koloss von Gerät, sammelt er die kleinen, nur wenige Millimeter großen Organismen.
Und während es immer erstaunt, wie vielfältig das Leben in der Tiefsee ist, konzentriert sich meine Arbeit hauptsächlich darauf, wie diese Arten dazu beitragen können, die Folgen des Klimawandels in der Region vorherzusagen. Denn auch im Beringmeer, einer Grenzregion zwischen dem gemäßigten Nordpazifik und der Arktis, macht sich die Ozeanerwärmung bemerkbar. Dies könnte zum einen den Fischfang in der Region beeinflussen, sprich einer der größten kommerziellen Fischereien der USA, aber auch auf das Leben am Meeresboden viele Kilometer von der Meeresoberfläche entfernt. Mit zunehmender Erwärmung könnten zum Beispiel an Kälte angepasste Tiere in kühlere Gebiete abwandern und neue Arten aus dem Süden immigrieren. Was dies für die Region und Vielfalt dort bedeutet, muss noch geklärt werden.
Wir versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, und jedes Gerät, jede Probe, jede Art stellt ein Stück des gesamten Puzzles dar. Aber vorher heißt es wieder warten. Es ist halb acht am Abend. Das nächste Gerät verlässt gerade den Meeresboden, das sind 7.200 Meter oder 4,5 Meilen, und 2 Stunden Wartezeit, bis es wieder heißt, alle Mann & Frau zurück an Deck (zum Schlamm Sieben).
Damit herzliche Grüße aus dem nördlichen Nordpazifik,
Stefanie Kaiser (Senckenberg, Frankfurt)