Abb. 1: Benthischer Hadal-Profiling-Lander für in situ Messungen der Sauerstoffkonzentration im Meeresboden.

Sauerstoff (O2) ein Schlüsselelement in unserer Natur – Dynamik und Zonierung im Tiefsee-Meeresboden

Mein Name ist Frank Wenzhöfer und ich bin Wissenschaftler am Alfred-Wegner-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (Bremerhaven, Deutschland) und an der University of Southern Denmark – Danish Center for Hadal Research (Odense, Dänemark). Meine Hauptforschungsinteressen liegen in den Bereichen benthische Ökologie und Biogeochemie extremer Lebensräume (Cold Seeps, polare Systeme, hadale Tiefseegräben), mariner Kohlenstoffkreislauf, Sensor- und In-situ-Technologie. Das Hauptziel meiner Forschung ist die vergleichende Analyse verschiedener benthischer Lebensräume, um zu verstehen, wie sich die Umweltbedingungen am Meeresboden auf den Stoffkreislauf, die Stoff- und Energieflüsse und das Zusammenleben benthischer Gemeinschaften auswirken.

Sauerstoff ist ein absolut entscheidendes Schlüsselmolekül in der Ökologie unserer Erde. Die globalen Kreisläufe von Kohlenstoff und Sauerstoff sind dabei eng miteinander verbunden und betreffen sowohl die Atmosphäre, die Ozeane als auch die Sedimente des Meeresbodens. Sauerstoff wird durch Photosynthese erzeugt und ist der ultimative Elektronenakzeptor für die Mineralisierung organischen Materials. Etwa 40 % der weltweiten Photosynthese findet jedes Jahr in der aquatischen Ökosystemen statt. Dabei wird, mit Hilfe des Sonnenlichts als Energiequelle, organisches Material aus anorganischem Kohlenstoff (CO2) erzeugt. Diese Primärproduktion bildet die Grundlage der gesamten Biosphäre. Ein erheblicher Teil (25-50 %) des produzierten organischen Materials erreicht die Sedimentoberfläche unserer Meere, wo es, von einer aktiven und vielfältigen (mikrobiellen) Gemeinschaft, entweder abgebaut oder dauerhaft im Meeresboden vergraben wird. In diesem Szenario können Tiefseesedimente daher entweder als Quelle für anorganische Nährstoffe und Kohlenstoff dienen oder sie stellen eine Senke für die langfristige Speicherung von anthropogen erzeugtem CO2 dar. Global betrachtet ist Sauerstoff das weltweit wichtigste Oxidationsmittel in der benthischen Kohlenstoffmineralisierung. Am Meeresboden ist die Sediment-Wasser-Grenzschicht eine der wichtigsten Übergangszonen für den Austausch von gelösten Stoffen; sie ist durch einen oberen oxischen Horizont mit, je nach mikrobieller Aktivität, steilen Sauerstoff-Gradienten gekennzeichnet. Darüber hinaus können die Aktivität der Meeresbodenfauna und die ungleichmäßige Verteilung des absinkenden organischen Materials zu einem mosaikartigen Muster von Mikrozonen und Mikronischen führen.

Normalerweise messen wir die Sauerstoffverteilung direkt am Meeresboden (in situ) mit sogenannten benthischen Lander-Systemen (Abb. 1). Aufgrund technischer Probleme auf dieser Fahrt können wir jedoch nur Messungen an Bord im Labor (ex situ) durchführen (Abb. 2). Ex-situ-Messungen sind nicht ideal, um die Kohlenstoffmineralisierung zu quantifizieren, da es bei der Entnahme von Sedimentkernen aus großer Wassertiefe zu Artefakten kommt, aber sie liefern dennoch eine gute Annäherung an die Sauerstoffzonierung im Meeresboden. In beiden Fällen verwenden wir speziell angefertigte Sensoren (Abb. 3 und Abb. 4) zur Messung der Sauerstoffkonzentration an der Sediment-Wasser-Grenzfläche, um den Gradienten innerhalb der oberen Sedimentschicht aufzulösen. Mikromanipulator-Systeme bewegen die sehr feinen Sensoren – die einen Spitzendurchmesser von 50 – 250 µm aufweisen – in Profilschritten von 100 µm bis 1mm in das Sediment. Je nach der Menge des organischen Materials, das den Meeresboden erreicht, und der Aktivität der benthischen Lebensgemeinschaft dringt der Sauerstoff von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern in das Sediment ein. Im Allgemeinen nimmt die Sauerstoffdurchdringung mit der Wassertiefe zu, doch in den Hadal-Grabensystemen, unserem Hauptforschungsgegenstand dieser Fahrt, wird der Sauerstoff schneller verbraucht als im angrenzenden flacheren Meeresboden, und die Eindringtiefe nimmt trotz größerer Wassertiefe ab. Dies wiederum bedeutet, dass mehr organisches Material in die Tiefseegräben gelangt und die Aktivität der benthischen Organismen erhöht ist. Wieso dies so ist und welche Rolle die Tiefseegräben dadurch für den marinen Kohlenstoffkreislauf haben gilt es heraus zu bekommen.
Auf dieser Reise wollen wir die Rolle des Aleuten Grabens, dem nördlichsten Graben im Pazifik am Übergang zur Arktis, in diesem Szenario untersuchen. Ziel ist es zu verstehen, welche Umweltfaktoren, wie Primärproduktion, Hydrodynamik oder Sedimenttransport, die Prozesse am Meeresboden des Aleuten Grabens steuern und welche Bedeutung sie für den Kohlenstoffkreislauf haben. Unsere ersten Proben aus dem Grabensystem brachten ein sehr flüssiges Sediment nach oben, ein Phänomen das wir bisher so noch nicht gesehen hatten. Trotzdem zeigen unsere Sauerstoffmessungen eine erhöhte Aktivität an. Wie verbreitet dieses Szenario im Aleuten Graben ist und was dies Quantitativ für den Kohlenstoffkreislauf bedeutet, gilt es auf den kommenden Stationen zu untersuchen.

Abb. 2: Labor Setup für ex situ Profilmessungen in Sedimentkernen bei in situ Temperatur im Kühlraum.  
Abb. 3: Elektrochemische Sensoren für Sauerstoffmessungen
Abb. 4: Elektrochemische optische Sensoren für Sauerstoffmessungen.