Ein weiterer Satz von Probenkernen wurde aus der Tiefe geborgen und kann nun verarbeitet werden.    

Hadal-Gräben sind unerforschte biologische Hotspots

Wir haben nun mehr als die Hälfte unserer Expedition in den Aleutengraben hinter uns. Es liegen einige aufregende Wochen hinter uns, in denen wir viel mit Sedimenten hantiert, lange Stunden im Kühlraum verbracht, und neue und überraschende Erkenntnisse gewonnen haben. Wir drei sind die Teilnehmer des Dänischen Zentrums für Hadalforschung (HADAL). Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Erforschung von Elementkreisläufen und des mikrobiellen Lebens im Hadal – dem tiefsten Teil des globalen Ozeans, der noch weitgehend unerforscht ist. Während früherer Expeditionen zu anderen Grabensystemen haben wir gezeigt, dass Gräben als Ablagerungszentren für organisches Material fungieren und Hotspots für biologische Aktivität in der Tiefsee sind. Im Gegensatz zu dem, was man erwarten könnte – und wie der Name “Hadal“, der sich vom Reich des Todes (Hades) in der griechischen Mythologie ableitet, andeutet – sind Gräben mikrobielle “Oasen“. Die verstärkte Aktivität wird hauptsächlich durch mikrobielle Gemeinschaften bestimmt, die unter dem extremen Druck zu gedeihen scheinen. Gräben können sehr unterschiedlich sein, sie liegen unter Oberflächenozeanen mit unterschiedlicher Produktivität, und die Wege für den Materialtransport, auf dem das hadale Leben basiert, sind anders. Gräben sind geografisch voneinander isoliert, und die biologischen Verbindungen zwischen den Gräben sind noch unbekannt. Inwieweit beherbergen die jeweiligen Gräben einzigartige biologische Gemeinschaften, die an die extremen Bedingungen angepasst sind?
Unsere vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass das Hadalsediment des Aleutengrabens hochaktive mikrobielle Gemeinschaften beherbergt. Doch im Gegensatz zu anderen Grabenumgebungen besteht der Meeresboden entlang der Achse des Aleutengrabens eher aus flüssigem Schlamm als aus verfestigtem Sediment. Dies wird vermutlich dadurch begünstigt, dass der Gletscherabfluss feines Material in die Tiefsee leitet. In tieferen Sedimentschichten finden sich jedoch auch deutliche Abdrücke von seismisch bedingten Massenabtragungen und vulkanischer Aktivität. Der flüssige Schlamm ist weitgehend frei von Fauna, wirkt aber als „mikrobieller Reaktor“ mit hoher diagenetischer Aktivität. Dies wird durch hohe Ammoniakkonzentrationen im Sediment im Vergleich zu benachbarten Abyssalstandorten und hohe O2-Verbrauchsraten, die in den gewonnen Sedimentkernen gemessen wurden, verdeutlicht. Diese neuen Erkenntnisse sind spannend und werfen eine Reihe von Fragen auf:
Aus welchen Quellen stammt das organische Material, das die erhöhte mikrobielle Aktivität aufrechterhält?
Welche mikrobiellen Wege sind am Abbau des organischen Materials beteiligt und wer sind die mikrobiellen Akteure, die an diesen Prozessen beteiligt sind?
Wie unterscheiden sich die mikrobiellen Gemeinschaften im Aleutengraben von denen in anderen Gräben mit verfestigtem Sediment, in den angrenzenden Abyssal-Ebenen und in marinen Sedimenten im Allgemeinen?
Sind die Gemeinschaften einzigartig und an diese besonderen Bedingungen angepasst?
Welche Bedeutung hat der Graben für die Bindung von organischem Kohlenstoff und die Rückkopplung mit dem Klima?
Was ist die allgemeine biogeochemische Funktion und Bedeutung des Aleutengrabens?
Diese und viele weitere Fragen werden durch die Untersuchung der gesammelten Proben des Meeresbodens und der laufenden Experimente beantwortet, die wir während der langen kalten Stunden im klimatisierten Raum an Bord des FS SONNE durchführen.

Es ist ein Privileg und eine Freude, mit vielen guten Kollegen zusammenzuarbeiten, die spannende und wichtige Fragen zur Funktion des globalen Ozeans untersuchen. Doch nach fast vier Wochen auf See, unzähligen Stunden in einem 3-4 C° kalten Labor, gelegentlich unterbrochen von Blicken auf den endlosen Ozean und den grauen, nebligen Horizont, beginnt man langsam davon zu träumen, wieder einen Fuß an Land zu setzen.

John Paul Balmonte, führt Messungen der enzymatischen Aktivitäten im Sediment durch.  
Frank Wenzhöfer, bei der Messung der Sauerstoffverteilung im Sediment.
Ronnie N. Glud nimmt eine Unterprobe eines Sedimentkerns aus 7,2 km Tiefe.