Insgesamt 31 Monitore erleuchten das Hydroakustiklabor in der Nacht.    

Vermessung einer (noch) unbekannten Welt

Es ist drei Uhr morgens als der schrille Ton meines Handyweckers mich aus meinen Träumen reißt. Auch mein Zimmerkollege scheint davon wach geworden zu sein, da ich Bewegungen und Rascheln im Bett über mir vernehme. Ich schleiche mich deshalb leise aus dem Bett und zwölf Minuten später stehe ich einsatzbereit im hell beleuchteten Gang vor unserer Kabine.

Das Hydroakustiklabor, in dem wir arbeiten und das aufgrund seiner zwei Dutzend Bildschirme auch aus einem Hollywoodstreifen stammen könnte, wirkt nahezu friedlich als ich einen Blick durch die Tür werfe. Im Labor der CTD herrscht hingegen schon fleißiges Treiben. Der Blick auf die Anzeige verrät mir, dass sich die Sonde in 3.800 m Tiefe auf ihrer Rückkehr zur Oberfläche befindet. Es bleibt also noch Zeit für ein kurzes Frühstück …

Die Daten der CTD-Sensoren sind auch für unsere Arbeit wichtig, denn anhand der gemessenen Tiefen, Temperaturen und Salzgehalte können die Geschwindigkeiten berechnet werden, in der sich die Schallwellen des Fächerecholots ausbreiten. Anhand dieser Wasserschallprofile und den gemessenen Laufzeiten des Schalls (vom Schiff bis zum Meeresboden und zurück) berechnet unser System später automatisch die Tiefen, die wir zur Erstellung von Karten des Meeresbodens verwenden.

Zwei Scheiben Vollkornbrot mit Käse und Gurke sowie eine Tasse Kaffee später betrete ich zum ersten Mal an diesem Morgen das Hydroakustiklabor und durchbreche somit die Stille. Die CTD-Sonde ist mittlerweile zurück an Deck und das Schiff hat Kurs auf den Startpunkt der Vermessung genommen. Es ist 5:26 Uhr als der nautische Offizier sich per Funk meldet und das Startsignal gibt. Von nun an fährt das FS Sonne mit sieben Knoten mehrere parallele Bahnen, die es uns ermöglichen ein Gebiet von 7 x 7 Seemeilen (ca. 13 x 13 km) mit einer Auflösung von etwa 100 Metern zu kartieren. Nach wenigen Sekunden erscheinen die ersten Reihen von Tiefenmessungen auf einem der 31 Monitore und nur dreißig Minuten später steht die erste Datei mit über 100.000 Datenpunkten zur Bearbeitung bereit. Vor mir baut sich das 3D-Modell einer Landschaft auf, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat.

Wie bei jeder wissenschaftlichen Messung kommt es auch in der Bathymetrie zu Fehlern. So sorgen beispielsweise feinkörnige, wassergesättigte Sedimente für hornartige Strukturen, die parallel zur Fahrtrichtung in regelmäßigen Abständen auftreten. Starker Seegang kann hingegen dafür sorgen, dass der Fächerecholot kurzzeitig den Meeresboden nicht mehr detektieren kann und dadurch Löcher oder Lücken entstehen. Deshalb beobachten wir die Daten während der Messung aufmerksam, passen gegebenenfalls die Geräteeinstellungen an die Umgebung an und entfernen die übrigen fehlerhaften Daten, die im Fachjargon als Artefakte und Ausreißer bezeichnet werden.

Es ist 11:21 Uhr als die Brücke per Funk bekannt gibt, dass wir uns nun auf der letzten Bahn der Vermessung befinden. Als ich das Funkgerät zur Seite lege, betritt meine Kollegin das Labor. Sie war während der Fahrt zur Station letzte Nacht für die Vermessung verantwortlich, wirkt aber dennoch ausgeruht und fit. Jetzt muss es schnell gehen: ich bereinige die letzten Datenpakete und erstelle eine Karte des gesamten Stationsgebiets, während meine Kollegin sich um die Auswertung der Rückstreuung kümmert. Diese gibt uns Auskunft über die Oberflächenbeschaffenheit des Meeresbodens – hartes Gestein oder weiches Sediment.

Kaum sind wir mit der Bearbeitung der Daten fertig, öffnet sich die schwere Tür des Labors und die Geräteeinsatzleiterinnen und -leiter betreten das Reich der Bathymetrie. Innerhalb weniger Minuten werden in einer teils hitzigen, aber stets zielorientierten Diskussion die Orte zum Einsatz der Geräte festgelegt, bevor die Stille in den fensterlosen Raum zurückkehrt. In den nächsten Tagen werden wir die Daten zum Zweck der Veröffentlichung weiter aufbereiten und die Kartierung der nächsten Station planen, doch vorerst haben wir uns eine Pause verdient. Die können wir auch gebrauchen, denn 80 % des Meeresbodens warten noch darauf, von uns kartiert zu werden.

Im Livebild des Fächerecholots kann man die hornartigen Artefakte sowie Lücken frühzeitig erkennen und ihnen mit der Anpassung der Geräteeinstellungen entgegenwirken.  
Die weißen Pfeile zeigen den Kurs des Schiffes an, der während der Vermessung genommen wurde.
In der sechsfach überhöhten 3D-Ansicht können fehlerhafte Daten leichter entfernt werden.
Während der Vermessung werden die Aufzeichnungen beobachtet, fehlerhafte Datenpunkte entfernt und vorläufige Karten erstellt.
Aus der etwa fünfstündigen Vermessung resultiert eine Karte von 7 x 7 Seemeilen, die Aufschluss über die Topografie des Meeresbodens gibt.